Der lebende Zaun aus Kätzchenweiden - 1955

Von Franz Kruft, Landwirtschaftsrat, Staatliche Obstbauschule, Nürtingen

Meine Berufsarbeit läßt mich täglich an meinem Küblerweidenzaun vorübergehen, den ich im Mai 1953 pflanzte und der heute weit über 31/2 m hoch geworden ist und nicht nur durch seine anmutvolle Einfügung in das Landschaftsbild von vielen Gästen unseres Hofes bewundert wird, sondern der von Tausenden von Besuchern unserer modernen, 20 ha großen Obstanlagen mit über 10 000 Obstbäumen immer wieder als eine billige und doch zweckmäßige Umzäunung von Grundstücken, insbesondere aber von Obstanlagen, Wiesengelände, Gartenflächen, Vorgärten, Hegeplätzen usw. bestaunt wird. Sogar die Bundesbahnverwaltung fragte mich vor einiger Zeit nach verschiedenen Einzelheiten über die Anlage lebender Zäune aus Weidenkätzchen, um, zu prüfen, inwieweit durch die Verwendung solcher Zäune entlang den Eisenbahnstrecken Schneeverwehungen, Bodenabtrag, Gleisverschüttungen durch Wetterkatastrophen usw. verhütet werden können. Sogar zahlreiche Sportvereine waren daran interessiert, ihre Spielplätze mit einem lebenden Zaun aus Kätzchenweiden einzufrieden. Stadt und Friedhofsverwaltungen wählten die Einfriedung von Gottesäckern, Kinderspielplätzen, Ruhegärten, durch einen lebenden Zaun aus Kätzchenweiden, um nicht nur billig und zweckmäßig. sondern auch im Interesse des Vogelschutzes und zur Abwehr des Straßenlärms, des Straßenstaubes und schließlich der sengenden Sonnenstrahlen im Bereich der umhegten Flächen eine gewisse Vollkommenheit dieser Plätze zu erreichen. Hunderten von Gartenfreunden, Imkern, Villen und Haus besitzern war es mir möglich, in ergänzenden brieflichen Mitteilungen die Anlage eines lebenden Zaunes aus Kätzchenweiden zu empfehlen. Hierdurch dürften Tausende junger Pflanzen der für den Imker so wertvollen Küblerweide zusätzlich gesetzt worden sein. Und wenn ich bedenke, daß zur Begrünung von Schutthalden, Trümmerbergen, Abraumhügeln, überall in Deutschland auf Grund dieses seinerzeitigen Hinweises im "Imkerfreund" ebenfalls Abertausende von Jungpflanzen der Küblerweide gepflanzt worden sind, so ist heute für mich die Tatsache, daß damit unsere Bienenweiden in einem beachtlichen Umfang ausgedehnt worden sind, der schönste Lohn und Erfolg.

Wir wissen, daß die Ausweitung des Nährgeländes für unsere Bienen zu den vordringlichsten Auf gaben gehört, die wir in der Imkerei zu lösen ha ben. Wir wissen andererseits aber auch um die Notwendigkeit, ungeschützt daliegende Flächen mit einem umhegenden Zaun vor dem Zutritt unerwünschter Personen, aber auch vor Wild schützen zu sollen. Im Interesse einer weiteren Förderung unserer Bienenweiden möchte ich deswegen nochmals und unter der gleichen Überschrift auf die besondere Möglichkeit hinweisen, durch die Verwendung der Küblerweide für die Anlage lebender Zäune zu werben.

Abb. 1. Frisch gepflanzter Küblerweidenzaun Ende Februar, kurz vor dem Austrieb. Man beachte den dichten Besatz der Weidenkätzchen an den 1,60 m langen bewurzelten Küblerweidenruten.

Ich habe in den Text des Artikels einige Bilder ein gestreut, die die weitere Entwicklung meines Küblerweidenzaunes zeigen und die eine Vorstellung davon vermitteln, auf wie einfache Weise einerseits eine zweckvolle und schöne Umzäunung unserer Grundstücke erreicht werden kann und wie wertvoll ein solcher Zaun durch seine üppige Blütenfülle im zeitigen Frühjahr für unsere Imkerei zu sein vermag. Wir wissen, daß die Küblerweide zu den wertvollsten Weiden für Trachtzwecke gehört, die es gibt. Sie blüht nicht nur früh und reich, sondern gedeiht praktisch auch an jedem Platz und auf allen Böden. Selbst an trockenen Standorten fühlt sich die Küblerweide wohl, wenn man sie als kräftig bewurzelte Pflanze setzt und ihr beim Pflanzen selbst einige gute Handvoll gewässerten Torf mit in die Pflanzgrube gibt. Ein ordentlich gepflanzter Küblerweidenzaun treibt nicht nur schnell wüchsige und kräftige Triebe nach oben, sondern bringt auch an den tieferen Teilen der Triebe schmuckes Seitenholz, das den Zaun bis zum Boden hinab voll begrünt und dicht verwachsen läßt. Die hohen Triebe, voll mit Weidenkätzchen besetzt, bilden in den Obstgärten einen ausgezeichneten Windschutz und zieren im Frühjahr durch den hübschen Besatz an pollenspendenden Kätzchen.

Die Masse der Triebe läßt es ohne weiteres zu, alljährlich einen Teil der Triebe als Schmuckgrün zu verwenden, wie solches zu den zahlreichen Festen ab Anfang November (Allerheiligen, Totensonntag, Adventszeit, Weihnachtszeit, Jahreswechsel, Dreikönigsfest) in großen Mengen von den Gärtnereien gebraucht wird. Man braucht des wegen bei der Nutzung eines Küblerweidenzaunes nicht das eine zu tun, um das andere zu lassen. Der Imker wird sowieso den Zaun in erster Linie pflanzen, um für seine Bienen Blütenstaub zu haben. Der Gärtner und Kranzbinder jedoch wird auch an die Nebennutzung des Zaunes zur Gewinnung von Schmuckgrün denken. In jedem Falle ist die Küblerweide für beide Verwendungszwecke bestens geeignet.

Abb.2. So werden die einzelnen Weidenruten miteinander verflochten und an zwei Spanndrähte, als Haltedrähte, geheftet

In vielen Fällen wünschten die Fragenden von mir Auskunft über die günstigste Pflanzzeit für einen lebenden Zaun. Ich möchte durch diesen ergänzen den Artikel allen jenen, die im kommenden Herbst oder im Frühjahr daran interessiert sind, sich einen Zaun aus Küblerweiden anzulegen, empfehlen, möglichst den Spätherbst oder die zeitigen Frühjahrsmonate dazu zu verwenden. In jedem Falle aber

soll man nur ein Pflanzgut verwenden, das auf natürliche Art das Laub verloren hat und deswegen als vollreif in der Anzuchtstätte gerodet und als solches versandt werden konnte. Nicht ausgereifte Küblerweidenpflanzen sind minderwertig. Sie trocknen meist noch während des Winters oder im nächsten Frühjahr zurück und verursachen ein ungleichmäßiges und so ein wenig effektvolles Bild.

Ich habe ferner die Erfahrung gemacht, daß die Küblerweide für eine kräftige Phosphorsäure und Kalidüngung außerordentlich dankbar ist. Man soll es deswegen nicht versäumen, bei der Pflanzung der jungen bewurzelten Ruten kräftig mit Thomasmehl und Kali den Boden zu düngen, und zwar je laufenden Meter Zaunstrecke mindestens eine kräftige Handvoll Thomasmehl und eine Handvoll 42%iges Kalisalz zu streuen.

Wer einen Küblerweidenzaun zu pflanzen beabsichtigt, ist gut beraten, wenn er mit dem Zaun mindestens 1/2 m von der Grenze des Nachbargrundstückes entfernt bleibt. Soll der Zaun an einem Weg gepflanzt werden, so kann man sich im Frühjahr gegen Diebstahl der Kätzchen dadurch schützen, daß man sich eine verhältnismäßig konzentrierte Kalkmilch herstellt und mit einem gewöhnlichen Reiserbesen die Weidentriebe von der Wegseite her mit dieser Kalkmilch bekleckert. Ich habe in solchen Fällen bisher so gut wie noch nie Räuberei an den Weidenkätzchen beobachten kön nen. Den Bienen blieb dadurch die Tracht ungeschmälert erhalten und dem Besitzer der ästhetisch schöne Zaun, den er eben zu diesem Zweck an gelegt hatte. Viele Zuschriften wünschten auch Auskunft über empfehlenswerte Bezugsquellen für erstklassiges und vor allen Dingen sortenechtes Pflanzgut. Ich bin auch künftighin bereit, jedem Fragenden bereitwilligst hierüber Auskunft zu ge ben und ihm empfehlenswerte leistungsfähige Anzuchtsbetriebe zu nennen, von denen ich weiß, daß sie nur beste Qualitätspflanzen der echten Kübler weide heranziehen und an ihre Kunden liefern. Der Imker soll grundsätzlich auch nur männliche Pflan zen der Küblerweide setzen. Vielfach werden aber neben männlichen Pflanzen auch weibliche Formen vermehrt. Damit ist dem Imker nicht gedient. Er soll sich deswegen im vorhinein an Anzuchts betriebe wenden, die auf die Anzucht der männlichen Küblerweide eingestellt sind und deswegen das beste zu liefern vermögen. (Ich bitte jedoch, bei den Anfragen Rückporto für eine Postkarte bei fügen zu wollen.)

Die Anlage eines Küblerweidenzaunes kann ab November bis ins tiefe Frühjahr hinein erfolgen. Man hebt zu diesem Zweck einen schmalen Graben von ca. 40 cm Breite und ca. 20 cm Tiefe mit dem Spaten aus und bestreut dann den Boden mit gut durchnäßtem Torf. Gleichzeitig verteilt man die schon besagte Menge Thomasmehl und Kali auf diesen Torf und gräbt nun die Grabensohle so um, daß Erde, Torf und Dünger gut miteinander vermischt werden. In dieses so vorbereitete Pflanzbett setzt man nun die schlanken bewurzelten Kübler weiden in einem Abstand von jeweils 10 cm weit voneinander ein, und zwar so, daß man jeweils zugleich zwei Ruten nimmt, die eine in der linken, die andere in der rechten Hand haltend. Man kreuzt nun die Ruten miteinander, und zwar ungefähr an der Stelle, wo die obersten Wurzeln ansetzen undpflanzt sie so in dieser gekreuzten Haltung. Da durch also weist nach dem Setzen die eine Rute nach links, die andere nach rechts. Diese Pflanz weise wiederholt sich fortan immer wieder, bis die Zaunweiden vollends gepflanzt sind. Dichter als 10 cm von Pflanze zu Pflanze zu setzen ist nicht zu empfehlen, weil sich der Zaun dadurch meist ganz ungleichmäßig weiterentwickelt, weil die stärker wachsenden Ruten die schwächeren zuweilen unter drücken.

Normalerweise genügt es, Pflanzen zu verwenden, die eine Rutenlänge von 1,20-1,40 m aufweisen. Wünscht man jedoch einen höheren Zaun oder beabsichtigt man einen Hühnerhof, einen Hundezwinger oder einen Zaun von größerer Höhe zu errichten, so empfehle ich, sofort beim Pflanzen höhere Pflanzen, also solche mit größerer Trieblänge bis zu 2,50 m, ja sogar bis 3 m Höhe zu setzen. In diesem Falle sind die Zäune sofort begrünt, vom Boden bis zum Gipfel, und erfüllen so sofort voll kommen ihren Zweck. Selbstverständlich kann man auch kürzeres Pflanzgut wählen und im Laufe der folgenden Jahre - meist genügen zwei Jahre - den Zaun bis auf 3 m Höhe durch nachgewachsene Triebe hochflechten.

Tausend bewurzelte Küblerweidenpflanzen, pollenspendend, also männliche Pflanzen von 1,20-1,40 m Länge, kosten im allgemeinen je 1000 Stück 140 DM. Damit ist man also in der Lage, einen Zaun von 100 m Länge anzulegen.

Ist das Weidenpflanzgut angewachsen, so setzt man erst die eigentlichen Zaunpfähle, und zwar in einem Abstand von je 5 m weit voneinander und bringt an ihnen zwei Spanndrähte an. Den untersten Spanndraht spannt man in etwa 50 cm Höhe über dem Boden, den zweiten etwa 1 m oder 1,30-1,50 m hoch über der Erdoberfläche. An diese beiden Drähte heftet man nun mittels Bindeweiden oder Bast die Küblerweidenruten kreuzweise an, so daß sich ein regelrechtes Kreuzgittergeflecht er gibt. Anschließend schneidet man alle Ruten mit der Gartenschere auf gleiche Höhe zurück. Damit ist der Zaun fertig. Soll nun im ersten Jahr der Zaun auch bereits gegen Hasen und Kaninchen oder gegen streunende Hunde schützen, so empfiehlt es sich, auf der Innenseite des Zaunes eine ca. 50-80 cm hohe Verkleidung mit einem dünnen engmaschigen Drahtgewebe anzubringen, das man ca. 10 cm in die Erde einläßt, damit es von Kaninchen nicht unterwühlt werden kann. Einmal gut angelegt, halten solche Zäune aus Küblerweiden praktisch unbegrenzte Zeit. Man darf jedoch im Jahre nach der Pflanzung nicht vergessen, die seiner zeit verwendeten Weiden oder Bastbänder mit dem Messer wieder zu lösen, damit sie nicht einschneiden. Die Küblerweiden dicken außerordentlich schnell. Die gepflanzten Ruten erreichen meist schon im zweiten Jahre doppelte Fingerstärke, je nachdem, ob man sie gut oder schlecht ernährt. Das Kreuzgittergeflecht wird also nach und nach so dicht, daß auch Katzen oder anderes Raubgetier sich nicht mehr durch die Maschen hindurchzuzwängen vermögen. Die Zaunpfähle und die Spanndrähte kann man meistens schon im dritten Jahr der Anlage wieder entfernen, weil der lebende Zaun fortan ohne jede Unterstützung sich selbst hält und auch in Gegenden mit starken Winden und Stürmen fest und standsicher ist.

Die Höhe des Zaunes kann man fortan jederzeit durch die Zurücknahme der hochschießenden Triebe nach dem Verblühen der Kätzchen bestimmen. Führt man diese Schneidearbeit alljährlich sorgfältig und mit Exaktheit aus, so wirkt das schöne Bild, das sich nach der Schneidebehandlung der Pflanzen ergibt, einzigartig und effektvoll, das durch die korrekte Linienführung der miteinander verflochtenen armdicken Stämmchen besticht und nicht nur den Bienen eine Weide bietet, sondern auch dem Auge, das sie betrachtet